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konnte; sie war entsetzt darüber, wie wenig Kraft sie noch
besaß.
Sie füllte ihre Wasserflasche, verstaute sie mitsamt den
Resten ihres zerfetzten Ponchos in ihrem Rucksack, seufzte
den Tränen nahe über sein Gewicht, als sie ihn auf den
Rücken nahm (das verdammte Ding war doch praktisch leer,
um Himmels willen), und brach wieder auf. Sie ging lang-
sam, jetzt mit fast schwerfälligen Schritten, und obwohl sie
in abfallendem Gelände unterwegs war, mußte sie ungefähr
alle Viertelstunde stehenbleiben und rasten. Sie hatte po-
chende Kopfschmerzen. Die Farben ihrer Umgebung wirk-
ten alle zu grell, und als ein Eichelhäher auf einem Ast über
ihr seinen Warnruf ausstieß, war es wie Nadeln in ihren
Ohren. Sie stellte sich vor, Tom Gordon sei bei ihr und leiste
ihr Gesellschaft, und nach einiger Zeit brauchte sie sich das
nicht mehr vorzustellen. Er ging neben ihr her, und obwohl
sie wußte, daß er nur eine Halluzination war, sah er bei
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Tageslicht ebenso real aus, wie er es im Mondschein getan
hatte.
Gegen Mittag stolperte Trisha über einen Felsbrocken und
fiel der Länge nach in ein dorniges Gestrüpp. Dort blieb sie
liegen - durch den Sturz außer Atem und mit so wild
hämmerndem Herzen, daß weiße Lichter vor ihren Augen
tanzten. Ihr erster Versuch, aus dem Gebüsch wieder her-
auszukommen, schlug fehl. Sie wartete, ruhte sich aus,
konzentrierte sich mit halb geschlossenen Augen auf die
Stille und versuchte es dann nochmals. Diesmal konnte sie
sich aus dem Gestrüpp befreien, aber als sie aufstehen
wollte, versagten ihre Beine ihr den Dienst. Aber das war
kein Wunder, nicht wirklich. In den vergangenen acht-
undvierzig Stunden hatte sie außer einem hartgekochten
Ei, einem Thunfischsandwich, zwei Twinkies und einigen
Jungfarnen nichts zu sich genommen. Außerdem hatte sie
Durchfall und die Kotzerei gehabt.
»Ich werde hier sterben, Tom, nicht wahr?« fragte sie. Ihre
Stimme klang ruhig und vernünftig.
Als keine Antwort kam, hob sie den Kopf und sah sich um.
Nummer 36 war verschwunden. Trisha schleppte sich zum
Bach hinüber und trank ausgiebig. Das Wasser schien
Magen und Darm nicht mehr zu schaden. Sie wußte nicht,
ob das bedeutete, daß sie sich daran gewöhnt hatte, oder
nur, daß ihr Körper den Versuch aufgegeben hatte, sich von
dem schlechten Zeug, von all dem Schmutz zu befreien.
Trisha setzte sich auf, wischte sich ihren tropfenden Mund
ab und sah den Wildbach entlang nach Nordwesten. In
dieser Richtung war das Gelände mittelschwer, und der
Wald schien sich wieder einmal zu verändern: Die Kiefern
machten kleineren, jüngeren Bäumen Platz - das hieß, dem
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dichten Gewirr eines Jungwalds mit reichlich Unterholz,
das jegliches einfache Fortkommen unmöglich machte. Sie
wußte nicht, wie lange sie in diese Richtung würde weiter-
gehen können. Und wenn sie im Bach zu gehen versuchte,
würde die Strömung sie bestimmt umreißen. Es gab keine
Hubschrauber, keine kläffenden Hunde. Sie ahnte, daß sie
diese Geräusche hätte hören können, wenn sie wollte, genau
wie sie Tom Gordon sehen konnte, wenn sie wollte, deshalb
war es am besten, nicht an solche Dinge zu denken. Über-
raschten sie irgendwelche Geräusche, waren sie vielleicht
echt.
Trisha rechnete nicht damit, von irgendwelchen Geräu-
schen überrascht zu werden.
»Ich werde im Wald sterben.« Diesmal war es keine Frage.
Ihr Gesicht nahm einen kummervollen Ausdruck an, aber
es kamen keine Tränen. Sie streckte ihre Hände aus und
betrachtete sie. Sie zitterten. Schließlich rappelte sie sich
hoch und setzte ihren Marsch fort. Während sie sich lang-
sam bergab bewegte, wobei sie sich an Baumstämmen und
Zweigen festhielt, um nicht zu stürzen, befragten zwei
Ermittler der Staatsanwaltschaft ihre Mutter und ihren
Bruder. Später an diesem Nachmittag würde ein mit der
State Police zusammenarbeitender Psychiater versuchen,
sie zu hypnotisieren, was ihm bei Pete gelingen würde. Ihre
Fragen konzentrierten sich darauf, wie sie am Samstag
morgen auf den Parkplatz gefahren und dann zu ihrer
Wanderung aufgebrochen waren. Hatten sie einen blauen
Van gesehen? Hatten sie einen blonden Mann mit Brille
gesehen?
»Großer Gott«, sagte Quilla und gab endlich den Tränen
nach, die sie bisher größtenteils zurückgehalten hatte.
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»Großer Gott, Sie glauben, daß mein Baby entführt worden
ist, nicht wahr? Hinter unserem Rücken verschleppt, wäh-
rend wir uns gestritten haben.« Als sie das sagte, begann
auch Pete zu weinen.
In den Townships TR-90, TR-100 und TR-110 ging die
Suche nach Trisha weiter, aber das Suchgebiet war verklei-
nert worden, und die Männer und Frauen in den Wäldern
hatten Anweisung, sich auf die Umgebung der Stelle zu
konzentrieren, wo die Vermißte zuletzt gesehen worden
war. Die Suchtrupps hielten jetzt mehr Ausschau nach den
Sachen des Mädchens als nach dem Mädchen selbst: nach
ihrem Rucksack, ihrem Poncho, einzelnen Kleidungsstük-
ken. Aber nicht nach ihrem Slip; die Ermittler der Staats-
anwaltschaft und die Detectives der State Police waren sich
ziemlich sicher, daß den niemand finden würde. Sexualver-
brecher wie Mazzerole behielten die Unterwäsche ihrer
Opfer meistens, sie hatten sie noch lange bei sich, wenn die
Leichen längst in Straßengräben geworfen oder in Abwas-
serkanäle gestopft worden waren.
Trisha McFarland, die Francis Raymond Mazzerole noch nie
im Leben zu Gesicht bekommen hatte, befand sich jetzt
dreißig Meilen jenseits der Nordwestgrenze des neuen,
verkleinerten Suchgebiets. Selbst wenn die Maine State
Guides und die Wildhüter der Forest Services nicht auf eine
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