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Familienfeierlichkeiten und die Wichtigkeit der Gebräuche und
Feste des häuslichen Herdes begriffen habe. Die Grundlage der
menschlichen Gesellschaft wird immer die Familie sein. Dort
beginnt die Aktion der Macht und des Gesetzes, dort wenigstens
muß man den Gehorsam lernen. Mit allen ihren Konsequenzen
betrachtet, sind der Familiengeist und die väterliche Macht zwei
noch zu wenig entwickelte Prinzipien in unserem neuen
Gesetzgebungssystem. Die Familie, die Gemeinde, die Provinz,
unser ganzes Land ist gleichwohl da. Die Gesetze müßten also auf
diesen drei großen Einteilungen basiert sein. Meiner Meinung
nach können die Heirat der Eheleute, die Geburt der Kinder, der
Tod der Väter mit nicht genug Gepränge umgeben sein. Was die
Macht des Katholizismus ausgemacht, was ihn so tief in den
Sitten hat Wurzeln fassen lassen, ist sicherlich der Glanz, mit dem
er in den bedeutungsvollen Augenblicken des Lebens erscheint,
um sie mit so naiv rührendem, so großem Pomp zu umgeben,
wenn der Priester sich der Größe seiner Mission anpaßt und sein
Amt mit der Erhabenheit der christlichen Moral in Einklang zu
bringen weiß. Früher sah ich die katholische Religion als eine
Anhäufung von Vorurteilen und geschickt ausgebeutetem
Aberglauben an, über die eine intelligente Zivilisation ein
Strafgericht ergehen lassen müsse. Hier hab' ich ihre politische
Notwendigkeit und ihren moralischen Nutzen erkannt; jetzt hab'
ich ihre Macht eben durch den Wert des Wortes erkannt, das sie
ausdrückt. Religion will: Band heißen und sicherlich stellt der
Kult oder, anders gesagt, die ausgedrückte Religion die einzige
Macht dar, welche die sozialen Schichten zusammenbinden und
ihnen eine dauerhafte Form geben kann. Endlich habe ich hier den
Balsam eingesogen, den die Religion auf die Wunden des Lebens
träufelt; ohne sie zu untersuchen, habe ich gefühlt, daß sie
wunderbar mit den leidenschaftlichen Sitten der südlichen
Nationen übereinstimmt. Schlagen wir den ansteigenden Weg
ein,« sagte der Arzt, sich unterbrechend, »wir müssen die
Hochfläche erreichen. Von dort aus werden wir die beiden Täler
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überblicken und Sie sollen sich eines schönen Schauspiels
erfreuen. Etwa dreitausend Fuß hoch über dem Mittelmeere
werden wir Savoyen und den Delphinat, die Berge des Lyonnais
und den Rhone sehen. Wir werden in einer anderen Gemeinde
sein, einer Berggemeinde, wo Sie in einer von Monsieur Graviers
Meiereien das Schauspiel sehen sollen, von dem ich Ihnen
gesprochen habe, jenes natürliche Gepränge, das meine Gedanken
über die großen Lebensereignisse verwirklicht. In dieser
Gemeinde trägt man mit Andacht Trauer. Die Armen sammeln
Almosen, um sich ihre schwarzen Kleider kaufen zu können. In
diesem Falle schlägt ihnen niemand Hilfe ab. Es vergeht kaum ein
Tag, ohne daß eine Witwe unter Tränen von ihrem Verluste
spricht, und zehn Jahre nach ihrem Unglück sind ihre Gefühle
ebenso tief wie am Tage danach. Dort herrschen patriarchalische
Sitten; des Vaters Autorität kennt keine Schranken, sein Wort ist
entscheidend. Am oberen Tischende sitzend, ißt er allein, seine
Frau und seine Kinder bedienen ihn; die um ihn herum sind,
sprechen nicht, ohne gewisse Respektformeln zu gebrauchen und
unbedeckten Hauptes steht jedes vor ihm. So groß geworden
besitzen die Männer den Instinkt ihrer Größe. Meiner Ansicht
nach gewährleisten solche Gebräuche eine edle Erziehung. Auch
sind die Leute dieser Gemeinde durchgehends gerecht, sparsam
und arbeitsam. Jeder Familienvater hat die Sitte, seine Güter
gleichmäßig unter seine Kinder zu verteilen, wenn das Alter ihm
das Arbeiten verbietet; seine Kinder ernähren ihn dann. Im letzten
Jahrhundert lebte ein neunzigjähriger Greis, nachdem er die
Teilung unter seine Kinder vorgenommen hatte, drei Monate bei
jedem von ihnen. Als er den Aeltesten verließ, um zum Jüngsten
zu gehen, fragte einer seiner Freunde ihn: : Nun, bist du
zufrieden?9 : Meiner Treu, ja,9 sagte der Greis, : sie haben mich
wie ihr Kind behandelt!9 Dies Wort, mein Herr, ist einem Offizier
namens Vauvenargues, einem berühmten Moralisten, der damals
in Grenoble in Garnison stand, so bemerkenswert erschienen, daß
er in mehreren Pariser Salons darüber sprach, wo dieses Wort von
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einem Schriftsteller namens Chamfort aufgegriffen wurde. Nun,
es werden oft bei uns Worte geäußert, die noch auffallender sind
als dieses hier, doch sie ermangeln der Geschichtschreiber, die sie
zu hören würdig sind ...«
»Ich habe Herrenhuter, Begharden in Böhmen und in Ungarn
gesehen,« sagte Genestas, »das sind Christen, die Ihren
Bergbewohnern sehr ähnlich sind. Diese braven Leute erdulden
die Kriegsleiden mit einer engelhaften Geduld.«
»Die einfachen Sitten, mein Herr,« antwortete der Arzt, »dürften
in allen Ländern ziemlich ähnlich sein. Das Wahre hat nur eine
Form. Das Landleben tötet wahrlich viele Ideen, aber es schwächt
die Laster ab und entwickelt die Tugenden. Je weniger Menschen
man auf einem Punkte zusammengepfercht sieht, desto weniger
Verbrechen, strafbaren Handlungen und bösen Gefühlen begegnet
man in der Tat. Die Reinheit der Luft hat großen Einfluß auf die
Unschuld der Sitten.«
Die beiden Reiter, die im Schritt einen steinigen Weg hinaufritten,
erreichten nun die Hochfläche, von der Benassis gesprochen hatte.
Dies Gebiet zieht sich um eine sehr hohe, aber vollkommen kahle
Bergspitze herum, die es beherrscht, und wo es keinerlei
Vegetation gibt. Der Gipfel ist grau und auf allen Seiten
zerklüftet, abschüssig und unbesteigbar. Das fruchtbare, von
Felsen umschlossene Gebiet, zieht sich unterhalb dieser Spitze hin
und umsäumt sie unregelmäßig in einer Breite von etwa hundert
Arpents. Gegen Süden umfaßt der Blick durch einen ungeheuren
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